Bye Bye Great Britain.
Abwarten und Tee trinken ist die falsche Devise.

Nach mehrjährigen Verhandlungen ist es nun tatsächlich so weit: Am 31. Januar 2020, um Mitternacht deutscher Zeit, hat nun das Vereinigte Königreich offiziell die Europäische Union verlassen.

Wie geht´s weiter? 

Nachdem das Europäische Parlament das von Großbritannien vorgelegte Austrittsabkommen am 29. Januar 2020 fristgerecht ratifiziert hat, began am 1. Februar eine Übergangsphase. Diese Übergangsphase verschafft der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich Zeit, bis Ende 2020 über ein Freihandelsabkommen bzw. Partnerschaftsabkommen zu verhandeln, das in Zukunft die Beziehungen regeln wird. Der Plan, ein Freihandelsabkommen bzw. Partnerschaftsabkommen bis Ende 2020 unter Dach und Fach zu bringen, ist sehr ambitioniert. Die Regelungen der neu ausgehandelten Beziehungen würden dann nach dem Ende der Übergangsphase, also ab dem 1. Januar 2021, in Kraft treten. Für die Unternehmen wird es während der Übergangsphase nach wie vor nicht leicht fallen, sich umfassend auf die für sie zutreffenden Konsequenzen des Brexit vorzubereiten, da nach wie vor die Fakten nicht auf dem Tisch liegen. Die Phase der Unsicherheit und Geduldsprobe ist für Unternehmer also nach wie vor nicht vorbei! 

Hard Brexit: Noch immer nicht ausgeschlossen

Sollte es bis Ende 2020 nicht zu einer Einigung über ein Freihandelsabkommen bzw. Partnerschaftsabkommen kommen, besteht die Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung der Übergangsphase bis Ende 2022. 

Dies würde beiden Seiten mehr Zeit für die Verhandlungen verschaffen. Eine solche Verlängerung müsste jedoch bis 30. Juni 2020 beantragt werden – Johnson schließt dies kategorisch aus. Verfehlen die EU und das VK eine Einigung während dieser Übergangsphase – egal ob mit oder ohne Verlängerung  – erfolgt ein ungeregelter Austritt ohne Abkommen. Die Gefahr eines harten Brexits ist damit nicht vom Tisch. 

Übergangsphase 

Es stellt sich nun die Frage, was die Übergangsphase konkret für Unternehmen bedeutet. Die gute Nachricht: Grundsätzlich bleibt während der Übergangsphase bis auf wenige Ausnahmen alles beim Alten. Das ist einmalig: Obwohl das Vereinigte Königreich kein offizielles Mitglied der EU mehr ist, wird es weiterhin als solches behandelt: Großbritannien verbleibt zunächst weiterhin in der Zollunion und erhält Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Dementsprechend gelten auch das EU-Recht und die vier Grundfreiheiten des Binnenmarkts für EU-BürgerInnen und Unternehmen fort. Es kann jedoch zu Änderungen oder Besonderheiten im Zoll- oder Steuerrecht kommen. Der deutsche Zoll informiert bspw. aktuell über die von der EU beabsichtigte Notifizierung der EU-FHA-Abkommenspartner bzgl. des präferenziellen Ursprungsstatus von Waren aus dem VK oder VK-Vorleistungen sowie der Ausfertigung/Anerkennung von Lieferantenerklärungen. Laut einer Meldung vom 29.01.2020 auf www.zoll.de beabsichtigt die Europäische Kommission, die Partnerländer mit Unterzeichnung des Austrittsabkommens über ihre Rechtsauffassung zu informieren. Im Einzelnen bedeutet diese Rechtsauffassung: 

Ursprungserzeugnisse der Europäischen Union, die Vormaterialien mit „Ursprung“ im VK enthalten bzw. ursprungsbegründend im VK hergestellt wurden/werden, gelten weiterhin als Ursprungserzeugnisse der Europäischen Union. Vor dem 31. Januar 2020 ausgefertigte Lieferantenerklärungen für derartige Ursprungserzeugnisse behalten weiterhin ihre Gültigkeit, eine Ausfertigung ab dem 1. Februar 2020 ist weiterhin zulässig, auch im VK. 

Dementsprechend dürfen auf Basis solcher Lieferantenerklärungen innerhalb des Übergangszeitraums Präferenznachweise durch Zollstellen ausgestellt bzw. im Rahmen der Selbstzertifizierung durch den Ausführer ausgefertigt werden. Der Zoll weist in seiner Meldung jedoch ebenso wie folgt hin: 

„Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch noch keine belastbaren Aussagen darüber getroffen werden können, ob die Partnerländer diese Auffassung ebenfalls teilen, besteht allerdings die Gefahr, dass ausgestellte/ausgefertigte Ursprungsnachweise für Erzeugnisse mit Vormaterialien mit „Ursprung“ im Vereinigten Königreich in manchen Partnerländern als nicht konform angesehen werden könnten und für die Inanspruchnahme einer Präferenzbehandlung in diesen Ländern nicht anerkannt werden.“ 

Der DIHK hat auf die Dringlichkeit dieses Themas auch beim Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier während seines Besuchs in Berlin Mitte Januar hingewiesen. Die Unternehmen brauchen schnell Klarheit darüber, welche FHA-Partnerländer die Rechtsauffassung der EU teilen und UK während der Übergangsfrist ebenfalls weiter als Teil der EU behandeln. 

Beim Thema Carnet ATA können wir informieren, dass mangels Rechtsgrundlage erst ab dem formellen Status als Drittland mit Zollgrenze Carnet ATA`s  für vorübergehende Ausfuhren in das UK ausgestellt werden können. Für Waren, die während der Übergangsfrist in das UK verbracht wurden und nach Ende der Übergangsfrist nach Deutschland zurück gebracht werden sollen, besteht die Möglichkeit, diese als Rückwaren abfertigen zu lassen. Daher besteht keine Notwendigkeit, schon jetzt Carnet ATA für Warensendungen in das UK auszustellen. Jeder plausible Nachweis (z.B. Frachtbrief) für die Rückwarenabfertigung nach Art. 203 UZK wird bei Rückbringung nach vorübergehender Verwendung akzeptiert. 

Abwarten und Tee trinken – falsche Devise

Durch die Übergangsphase können Unternehmen zwar zunächst noch einmal etwas aufatmen. Die Gefahr eines harten Brexits zum Ende der Übergangsphase ist dennoch nicht gebannt. Unternehmen sollten sich weiterhin stets auf dem Laufenden halten und sich entsprechend informieren. 

Ausführliche Informationen unter https://www.wuerzburg.ihk.de/brexit.html

Christian Enssner, Mitglied im Aussenwirtschaftsauschuss der IHK Würzburg-Schweinfurt
Tel. +49 (0)9721 7035-14
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